BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Mittwoch, 27. März 2013

Umfrage: "Neuer Name Frenssenstraße?"

Ergebnisse der Umfrage

Nummern der Postkarten (Für die Absender zur Kontrolle):
105, 106, 108, 138, 156, 164, 190, 193, 208, 227, 228, 237, 238, 243, 244, 253, 257, xxx*. (*Vom Absender unkenntlich gemacht.)
(Bis zum Ende des Abstimmungszeitraumes (27. April 2013) eingetroffene Karten).
Die Nummerierung der Anschreiben und Postkarten beginnt erst mit Nr. 100 und endet mit Nr. 264. Insgesamt 154 Wurfsendungen mit Postkarten wurden am 28. März 2013 ohne Verbindung von Adresse und Nummerierung zugestellt (1 je Haushalt). Nicht berücksichtigt werden konnten aus rechtlichen Gründen Haushalte, die durch entsprechende Hinweise an ihren Briefkästen der Zustellung von nicht persönlich adressierten Wurfsendungen widersprochen hatten.

Beteiligung und Repräsentativität:

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Mit ca. 12 % hat sich etwa jeder Achte angeschriebene Anwohner an unserer Umfrage beteiligt. Als Gründe für diesen Wert dürften Vorbehalte gegenüber dem Verfahren ((unberechtigte) datenschutzrechtliche Bedenken) gegenüber den Durchführenden (unbekannter Hintergrund), dass sich das Thema noch in einer Frühphase der öffentlichen Diskussion befindet, sowie Desinteresse genannt werden. Das hierbei eine Schweigeverzerrung vorliegt (also die Nichtantwortenden ein gänzlich anderes Abstimmungsverhalten an den Tag legen würden als die Antwortenden), ist möglich. Da die Zahlenverhältnisse (von Befürworten und Gegner) im vorläufigen Endergebnis während des Abstimmungsverlaufes im wesentlichen konstant blieben (frühe und späte eintreffende Antworten zeigten jeweils ein Verhältnis von 1 zu 2), lässt sich das Ergebnis -  wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad - auf die Gesamtheit der Befragten übertragen.  

Ergebnisse im Einzelnen:

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1. 66,6% der Antworteten lehnten eine Umbenennung ab, wobei davon 17% explizit den (finanziellen) Aufwand für die Anwohner als Grund nannten. 33,3% der Befragten stimmten dem Anliegen dagegen zu, das mit Frenssens schriftstellerischen Aktivitäten im Dritten Reich begründet ist.




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2. Bei der Frage, ob im Falle einer beschlossenen Umbenennung der konkrete Vorschlag "Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße" eine gute Alternative darstellen würde, äußerten sich 50% der Befragten negativ, wobei als einzelne Begründung die Länge der Namensvariante genannt ist. Bis auf einen ausländerfeindlich gesinnten, rechtsextremen Vorschlag sind von Seiten der Ablehnenden keine Alternativen genannt worden. Die andere Hälfte der Befragten stimmte dem Vorschlag dagegen entweder zu (33%), nannte kürzere Alternativen wie "Brüder-Mann-Straße" oder "Thomas-Mann-Straße" (11%) oder enthielt sich einer Entscheidung (6%).

Bewertung:

Es zeichnete sich ab, dass niemand explizit für die Person Gustav Frenssen Partei ergriff. Wo sich nicht zu Gründen für den Bestand des Straßennamens geäußert wurde liegen diese - so lässt sich vermuten - auch in teils jahrzehntelanger Gewohnheit zahlreicher Altanlieger, die mit dem Namen bislang nichts, weder positives noch negatives verbinden, sondern ihn schlicht nur als einen Straßennamen betrachten. Es zeichnet sich daher nicht ab, dass es - wie in Bad Oldesloe 1996 - zur Bildung einer Bürgerinitiative kommt, die versucht den Dichter zu "reinigen".
Konkret ist die Kritik daher nur in punkto Kosten: Ließe sich der die Anwohner betreffende Aufwand mildern (etwa durch eine teilweise Übernahme von Kosten (als Pauschale für jeden Haushalt) oder ein Moratorium (zwischen Umbenennungsbeschluss und dessen Vollzug läge eine längere Zeit (bspw. bis zu 1 Jahr)), das die Umstellung und den Verbrauch etwa von Werbeartikeln mit Adresszug ermöglicht), wäre der wesentlicher Konfliktpunkt aus dem Weg zu räumen.
Eine Umbenennung nach beiden oder einem der Brüder Mann fände wohl insgesamt (bei Umbenennungs-Befürwortern wie auch bei einem Teil der Gegner) mehr Zu- als Widerspruch, wenn auch z. T. eine kürzere Form gewünscht würde (Vorschlag: "Brüder-Mann-Straße").

(Gesamtübersicht. Zum Vergrößern klicken)

Kommentare der Absender (ggf. gekürzt (z. B. pers. Angriffe)):

[zu 1 (=pers. Gründe für oder gegen eine Umbenennung); zu 2 (=Vorschläge, Kommentare zu einem neuen Namen)]

Nr. xxx* (unkenntlich) zu 1: "Für die Kanaken!!!"; zu 2: "Kanakenstrasse, Klein Russland"
Nr. 108 zu 2: "Th.-Mann-Straße"
Nr. 190 zu 2: "Brüder Mann"
Nr. 193 zu 1: "Strassenänderung kostet Zeit und Geld. Wer bezahlt Adressaufkleber, Visitenkarten, Zeugnisse, Personalausweis und alle anderen Amtsunterlagen??"
Nr. 208 zu 1: "Weil mir der Name gefällt"; zu 2: "Ist zu lang, wenn dann nur Thomas-Mann-Str."
Nr. 227 zu 1: "Sehe keinen Sinn darin, gibt weitaus wichtigere Dinge um die man sich kümmern müsste! :)"; zu 2: "viel zu lang der Name"
Nr. 237 zu 1: "Da ich nicht unterstütze in einer rechtsorientierten Straße zu wohnen"
Nr. 238 zu 2: "Übernehmen Sie die anfallenden Kosten!!!"
Nr. 243 zu 1: "Geifernde Polemik im Zuge leerer Kassen, die den Anwohnern hohe Kosten (Änderung Ausweis pp) zusätzlich aufzwingt ist Ihnen wohl nicht bewußt! Sie wären gut beraten, endlich die Vergangenheit ruhen zu lassen!" (H.F.* vollständiger Name genannt).

Umfrageinformation:

Vom 28. März bis zum 26. April 2013 versucht eine Umfrage herauszufinden, wie die Anwohner der Gustav-Frenssen-Straße in Heide aktuell zu aufgekommenen Plänen einer Umbenennung stehen, die bereits zum Ende des Jahres in der Ratsversammlung debattiert werden könnten. Es soll dazu angeregt werden sich zu informieren und gegebenenfalls an der Suche nach einem neuen Namen zu beteiligen.

Die Unterlagen

Insgesamt 154 Briefe sind den Haushalten mit dem Umschlagvermerk: "Bezug: Umfrage zum Thema 'Neuer Name Frenssenstr.?'" zugestellt worden. Die Schreiben bestehen aus folgenden Teilen:

1. Formelles Anschreiben
2. Faltblattinformation zu Gustav Frenssen
3. Frankierte Antwortpostkarte mit Umfrage

Im Anschreiben wird kurz über den aktuellen Anlass des Schreibens informiert:
"Wie Sie dem Zeitungsartikel 'Straßenname in der Kritik' in der Dithmarscher Landeszeitung vom 20. Dezember 2012 entnehmen konnten, wird sich ein neues Projekt der 'Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung' mit der Person des Dithmarscher Pfarrers und Schriftstellers Gustav Frenssen (1863-1945) und seiner Rolle im Dienst der Propaganda des nationalsozialistischen 'Dritten Reichs' beschäftigen."
Das Schreiben erläutert das Verfahren der anonymen Meinungserhebung als Mittel einer möglichst frühzeitigen Sensibilisierung und Information der in erster Linie betroffenen Anwohner, denen durch Veröffentlichung der Ergebnisse, Meinungen, Kritiken und Vorschläge (zunächst auf dieser Webseite, später ggf. in den lokalen Medien) ein Forum zur Bürgerbeteiligung geboten werden soll.
Zudem wird die Akzeptanz des möglichen Vorschlages "Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße" im Falle eines Umbenennungsbeschlusses erfragt.

In einem Faltblatt werden eine kurze Biographie Frenssens ("Wer war Gustav Frenssen?"), die heute nur noch den wenigsten geläufig ist, und Hinweise zu weiterführender Literatur abgegeben. Den Hauptteil bilden jedoch Auszüge aus seinen Schriften "Recht oder Unrecht - mein Land" (1940) und "Lebenskunde" (1942), die bereits ein Bild von den radikalen nationalsozialistischen Ansichten Frenssens vermitteln (Ausführlicher hier dargestellt und kommentiert).

Auf der Antwortpostkarte, die mit dem Vermerk "Entgelt zahlt Empfänger" versehen ist, erhält der Empfänger die Möglichkeit seine bisherige Präferenz mitzuteilen (Umbenennung: Ja, Nein, Weiß (noch) nicht; H.-und.-Th.-Mann-Straße?) bzw. Lob und Unmut, Ideen und Anfragen zu äußern, die - anonym oder auf eigene Angabe hin - ebenfalls veröffentlich werden können, um ein Meinungsbild zu ermitteln.

Je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto repräsentativer und ggf. hilfreicher wird es sein, zu einem Ausgleich zu kommen zwischen dem öffentlichen Interesse (Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit) und dem privaten Interesse (Beibehaltung der gewohnten Adresse, mögliche Beteiligung an den Kosten im Falle einer Umbenennung).

Heider SPD: "Frenssen-Straße umbenennen" (1983)

In der erst beginnenden Debatte fast vergessen: Schon vor 30 Jahren initierten die Heider Jusos (SPD) eine Initiative zur Umbenennung der Gustav-Frenssen-Straße. Was damals nicht erreicht wurde hatte andernorts Erfolg - und kehrt nun zurück.

Zum fünfzigsten Jahrestag der Bücherverbrennung (10. Mai 1933) forderten die Jungsozialisten in der SPD die "Umbenennung aller Gustav-Frenssen-Straßen", wie die Dithmarscher Landeszeitung damals berichtete (siehe unten). Die Jusos schrieben damals die Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen in Heide, Meldorf, Marne, Brunsbüttel und Burg an. "Während viele der 1933 'verbrannten' Dichter heute noch vergessen sind, wird ein Ex-Nazi in Dithmarschen symbolisch bejubelt" hieß es in der Pressemitteilung des Juso-Kreisvorstandes.
Geplant, und im Juni 1983 schließlich ausgeführt wurde die Verteilung einer Postwurfsendung an alle Einwohner der Gustav-Frenssen-Straße in Heide, die seit 1960 den Namen des Bartler Pastors und Schriftstellers trug. Inhalt waren Textauszüge aus Frenssen Schriften, mit denen dessen Befürwortung von Euthanasie ('Krankenmord'), Judenverfolgung und die "Förderung und Unterstützung des Nationalsozialismus", sowie "übelste antisemitische Hetze und geistige Mittäterschaft an den Nazi-Verbrechen" belegt wurden (DLZ vom 10.05.1983).
Vorausgegangen war diesen Bemühungen der Vorschlag zur Gründung einer "Gustav-Frenssen-Gesellschaft", die von Kreispräsident Gosau und dem Barlter Bürgermeister befürwortet wurde, weil Frenssen - so Gosau: "typisch hier Land und Leute verkörpere." Die Schulgruppe am Schulzentrum Heide-Ost der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) trat diesem Versuch einer Säuberung und Wiedertauglichmachung Frenssen energisch entgegen. In einem Leserbrief ("Über Gustav Frenssen", DLZ vom 03.05.1983), schrieb sie:
"Frenssen [...] gehört zu den Wegbereitern und Protagonisten des Nationalsozialismus. Im Interesse aller Dithmarscher muß diese 'Verkörperung' zurückgewiesen werden. Wer Frenssens 'Glaube der Nordmark' liest, findet ein abstruses Gemisch von antisemitischen und völkisch germanischen Phrasen vor. Nicht umsonst wurde dieses 'Machwerk' [...] während des 2.Weltkriegs in einer Feldausgabe [...] gedruckt. [...] 'Frenssen-Straßen' gibt es schon genug. Man bewahre uns vor einer Frenssen-Gesellschaft!"
Im September 1983 nahm die Heider SPD die Forderung der Jusos auf und stellte einen Antrag auf Umbenennung. Die DLZ berichtet in ihrer Ausgabe vom 15.09. dazu:
"Der Vorstand des SPD-Ortsverbandes Heide hat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, der SPD-Fraktion in der Heider Stadtverordnetenversammlung die Empfehlung auszusprechen, die 'Gustav-Frenssen-Straße' in Heide/Süd in 'Carl-von-Ossietzky-Straße' umzubenennen, beziehungsweise einen derartigen Antrag einzubringen."
"Frenssen sei ein glühender Anhänger und Befürworter der NSDAP und Adolf Hitlers gewesen", so der Vorstand. Vorstandsmitglieder Siegfried Strinkau und Sönke Diedrich hatten damals "mehrere tausend Seiten" Quellenmaterial gesammelt, die dies belegten.  
Im Januar 1984 fiel die Entscheidung allerdings anders aus: Die CDU-Mehrheit im Magistrat lehnte eine Umbenennung ab. In einer Stellungnahme hieß es:
"Gustav Frenssen könne bei kritischer Würdigung seines Schrifttums nicht als Wegbereiter des Nationalsozialismus angesehen werden."
Ansehen bei der Bevölkerung rechtfertigte Straßen-
namen trotz Massenmordpropaganda -
Gustav Frenssen in Barlt mit Hitler-Bild (1942).
Obwohl man Frenssens "Gedanken zur Vernichtung unwerten Lebens und zum Judentum" "schärfstens" verurteile, so rechtfertige doch "das Ansehen des Heimatdichters bei der Bevölkerung das Benennen einer Straße nach seinem Namen".
Der damalige Heider CDU-Ortsverbandsvorsitzende Berndt Steincke wird von der DLZ zu dieser Entscheidung folgendermaßen zitiert:
"Frenssen sei überwiegend als Heimatdichter tätig gewesen. Zeitgenossen hätten ihn als selbstlosen und warmherzigen Mann charakterisiert, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen anderer gehabt habe. 'Angesichts des Irrweges einer ganzen Nation im Nationalsozialismus ist es sehr schwer, eine gerechte Grenze dort zu ziehen, wo viele Menschen lediglich Mitläufer waren, andere aber mit politischem Einfluß den Nationalsozialismus und seine Ziele förderten', meint Steincke. Angesichts der geringen politischen Bedeutung des Dichters werde es nach Meinung des CDU-Ortsvorsitzenden zu einer Frage der Toleranz, diese Schattenseiten seiner Äußerungen nicht noch publik zu machen." (DLZ vom 14.01.1984). 
1983 reichte u.a. antisemitische Hetze und Befürwortung und Propandierung von Massenmord in hunderttausendfacher Auflage noch nicht aus einen "Heimatschriftsteller", der nicht Mitglied der NSDAP war oder ein politisches Amt innehatte, die Ehrung zu entziehen, sofern er (noch) im "Ansehen der Bevölkerung" des post-nationalsozialistischen Dithmarschens stand.
Der am konservativen Widerstand gescheiterte erste Versuch, die brisante politische Publizistik Frenssen zur Grundlage einer Aberkennung der Ehre des Straßennamens in Heide zu machen, soll auch an die Zeit in der alten Bundesrepublik erinnern, in der die den Ton angebende Generation der "Alten Kameraden" vermeintliche Heimatliebe zuweilen noch über Menschlichkeit stellte. 
Herr Steincke, inzwischen Vorsitzender der "Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung", der zusammen mit dem verstorbenen Klaus Steinschulte (SPD) gute Arbeit für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Dithmarschen leistete, urteilt heute zumindest auch deutlich anders über die politisch zu ziehenden Konsequenzen im Fall Frenssen. Und das ist gut so. 

Anhänge:
"Alle Gustav-Frenssen-Straße umbenennen" (DLZ vom 10.05.1983): 


"Gustav-Frenssen-Straße wird nicht umbenannt." (DLZ vom 14.01.1984):


Gustav Frenssen am Westermoorweg


Kriegsgräberstätte am Westermoorweg -

Gedenken an verscharrte Zwangsarbeiter

Das südliche Ende der Gustav-Fressen-Straße geht in den Westermoorweg über. Dort befindet sich ein Mahnmal für ein Massengrab russischer Kriegsgefangener, von denen als Zwangsarbeiter tausende nach Dithmarschen gebracht wurden (Gedenkstätte Gudendorf). Viele überlebten den Transport vom Ort ihrer Gefangennahme bis nach Dithmarschen mit der Bahn aufgrund von Unterernährung, Krankheiten und Schikanen nicht. Die durchschnittliche Lebenserwartung auch derjenigen, die auf den Höfen die männlichen Arbeitskräfte ersetzen sollten, die in der Wehrmacht an Hitlers Lebensraumkrieg teilnahmen, war äußerst gering.
An der städtischen Schweinekoppel, nahe der Bahnlinie, kurz vor der Einfahrt in den Heide Bahnhof, wurden für die Verstorbenen Gruben vorbereitet, um den Einwohnern der Stadt den Anblick der Leichen, des Ergebnisses des Deutschen Vernichtungskrieges zu ersparen. Einige Namen der dort verscharrten sind durch ein Projekt der "Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung" inzwischen bekannt und eine ausführliche Broschüre wurde erstellt. 
Daß diese Gedenkstätte in Sichtweite einer Straße liegt, die seit 1960 nach einem aktiven Propagandisten des Hitlerregimes benannt ist, ist ein bitterer Zufall. Abscheulich wird es liest man noch Frenssens Zeilen, die er in der Wehrmachtsfrontzeitung Nr. 209 vom 15. April 1943 an die Soldaten schickt:
"Wir müssen [...] siegen [...], weil wir bei weitem - bei weitem! - der bessere Teil des Menschheit sind. [...] Wenn wir unterlägen, was bliebe übrig von der Menschheit? Wer würde über die Menschheit Herr sein? [...] Das Judentum: das ist Hassen und Ausplündern. Die Bolschewicken [= Russen]: das ist Untermenschentum."
Und in eine Artikel mit dem Titel "Der Glaube an das Licht" in der Schleswig-Holsteinischen Tageszeitung vom 6. Dezember 1944 schreibt Frenssen - nachdem sich die verbrecherische Kriegsmaschienerie und der Terrorapparat der Nationalsozialisten bereits Millionen Menschen getötet haben:
"Wir wissen, daß sie [= die Russen] alles, was in Deutschland kluge Augen hat, auslöschen oder nach Sibiren schleppen werden, und aus dem feinen saubere Deutschland einen Schweinestall machen."
Das Ende des "sauberen Deutschland", das Hunderttausende seiner Bürger in die KZ und Vernichtungslager deportierte und zugleich Millionen Zwangsarbeiter aus den besetzen Ländern seiner Nachbarn raubte und ebenfalls zu hunderttausenden zugrundegehen und allerorten - u. a. an einer Weide für Schweine - verscharren ließ, hat Gustav Frenssen, der am 11. April 1945 in Barlt starb nicht mehr erlebt. Daß sein Name noch in vielen Orten würdigend für Straßen Verwendung findet ist beschämend.
Sich überschneidende Schatten der Vergangenheit:
"...aus Deutschland einen Schweinestall machen".
In der Gustav-Frenssen-Straße wird es nie "Stolpersteine" geben (Gedenksteine für Opfer des Nationalsozialismus), da in dem erst nach dem Krieg errichteten Baugebiet zwischen 1933 und 1945 keine Opfer des NS-Regimes lebten. Daß in unmittelbarer Nähe aber mehrere Dutzend "Untermenschen" "entsorgt" wurden, macht erneut deutlich, wie sich die Schatten der Vergangenheit auch heute noch auf erschreckende Weise überschneiden können.
Das sollte sich ändern.

[Frenssen-Zitate zitiert nach: Kay Dohnke: "... und kündet die Zeichen der Zeit." - Anmerkungen zur politisch-ideologischen Publizistik Gustav Frenssens; in: Kay Dohnke, Dietrich Stein (Hrsg.): Gustav Frenssen in seiner Zeit. Von der Massenliteratur im Kaiserreich zur Massenideologie im NS-Staat. Heide 1997, S. 220-261.]

Dienstag, 26. März 2013

Chronologie: Umbenennungen von 1985 bis heute.

In vielen anderen Städten und Gemeinden Norddeutschlands, und v. a. Schleswig-Holsteins, dem Bundesland, in dem die meisten der nach Frenssen benannten Straßen und Wege liegen (wiederum mit einem Schwerpunkt in Dithmarschen), wurden bereits Namensänderungen durchgeführt, bzw. sind aktuell im Gespräch. Ein Überblick:

1980er Jahre:

Heide (1983), Hamburg (1984/1986), Marne (1985), Elmshorn (1985), Bad Segeberg (1986), Preetz (1988/89):

In den 1980er Jahren, 50 Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und am Jahrestag der zentralen Bücherverbrennung in Berlin, begann in Heide eine erste Debatte um die Ehrung Gustav Frenssens ("Dithmarscher Landeszeitung" vom 10.05.1983). Der Kreisvorstand der Heider SPD ließ im Juni 1983 eine Postwurfsendung an die Anwohner der Gustav-Frenssen-Straße verteilen in der über das Anliegen einer Umbenennung der Frenssen-Straße informiert wurde. Beigefügt waren Auszüge aus Schriften Frenssens aus der Nazi-Zeit. In Dithmarschen kam es daraufhin über Monate zu einer angeheizten Leserbriefdebatte. In keinem der Dithmarscher Orte (auch: Meldorf, Brunsbüttel und Marne) wurde jedoch schließlich eine Umbenennung vorgenommen.
Die Kampagne, besonders vorangetrieben von den Jungsozialisten, erreichte aber andere Städte: 
1984 wurde in Hamburg, wo Frenssen zwischen 1906 und 1919 als freier Schriftsteller lebte (Blankenese), und zwei Straßen nach ihm benannt waren (Eimsbüttel), Frenssen's antisemitische, rassistische und biologistische Anschauungen im Senat zum Thema (angeregt durch den Abgeordnete Bodo Schümann). 1986 beschloß der Senat die Umbenennung der Blankeneser Straßer in Anne-Frank-Straße. Ein Frenssen-Weg in Hamburg-Niendorf heißt seitdem Andreasberger Weg. Dennoch ist Frenssen in Blankenese noch präsent: Anna-Hollmann-Weg, der Jörn-Uhl-Weg und die Babendiekstraße sind nach Figuren aus seinen Romanen benannt.
In Elmshorn beschloß das Stadtverordneten-Kollegium mit 30 "Ja"- und 2 "Nein"-Stimmen eine Umbenennung der Frenssen-Straße in Thomas-Mann-Straße.
Der kurze Marner "Gustav-Frenssen-Weg" kam 1985 nochmals in die Debatte. Die SPD forderte eine Umbennenung, die damals mit der Begründung abgelehnt wurde, daß "Frenssens Lebenswerk nicht politischunterlegt sei und er sich erst zum Lebensende als Anhänger Hitlersgeoutet habe."
In Dithmarschen, aber auch in Bad Segeberg und Preetz, änderte sich zunächst nichts. In letzterem Fall, wie nicht selten, aus Rücksicht auf den für die Anwohner entstehenden Aufwand und die Kosten.

1990er Jahre:

Bad Bramstedt (1990er), Schleswig (1991), St. Peter Ording (1995), Eckernförde (1996), Bad Oldesloe (1999):

In Schleswig wurde die Frenssenstraße 1991 in Matthias-Claudius-Straße umbenannt, nachdem der "Flensborg Avis" - die Zeitung der dänischen Minderheit - auf Frenssens antisemitische Äußerungen aufmerksam gemacht hatte.
Auch in Bad Bramstedt erfolgte Anfang der 1990er Jahre die Umbenennung der Gustav-Frenssen-Straße. Die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen setzten gegen die Stimmen der CDU "Thomas-Mann-Straße" als einen Namen durch (Siehe: http://www.alt-bramstedt.de/Buch_Y_001ff2_lowres4er.pdf (Seite 147)).
In St.-Peter-Ording war erst im Jahre 1972 in einem Neubaugebiet ein Weg nach Gustav Frenssen benannt worden, wo er neben Storm, Hebbel und Groth als vermeintlich harmloser Heimatdichter ins Konzept passte. Die Gemeinde versuchte 1995, vor dem Hintergrund in anderen Städtenaufgekommener Diskussionen eine Umbenennung durchzuführen. Doch die Anwohner protestierten. Trotz fundierter inhaltlicher Information über den Schriftsteller und Propagandisten Frenssen, die von Kay Dohnke und Pastor Dietrich Stein auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung im Herbst 1996 gegeben wurden, verlief das Projekt der Gemeinde letztlich im Sande.  
Anders in Eckernförde: Hier beschloß die Gemeinde 1996, daß die Gustav-Frenssen-Straße künftig nach Käthe Kollwitz benannt werden sollte.
Heftige Kontroversen gab es dagegen auch in Bad Oldesloe: Eine Bürgerinitiative griff zu unsachlicher Rhetorik um Frenssen zu verharmlosen. Er wurde sogar als Gegner des Nationalsozialismus hingestellt. Womöglich war es aber gerade dieser rechtslastige Widerstand, der der Gemeinde die offensichtliche Notwendigkeit vor Augen führte, reinen Tisch zu machen. Die Gustav-Frenssen-Straße heißt seitdem (1999) Ernst-Barlach-Straße.

Die 2000er- Jahre:

Preetz (2009), Kiel (2011)

In Preetz setzte sich im Jahr 2009 bei den Stadtverantwortlichen, 20 Jahre nach den ersten Plänen auch die Erkenntnis durch, daß es bei Frenssen nicht bleiben könne. Mit breiter Mehrheit wurde eine Umbenennung beschlossen. Offen war lange Zeit der Name. Auch hier war Ernst-Barlach im Gespräch. Die Entscheidung fiel auf Jassy Torrund. Hinter dem Künsterlernamen verbirgt sich die in Preetz geborene Schriftstellerin Josepha Mose.  
In Kiel wurde die Frenssen-Straße 2011 in Ringelnatzstraße umbenannt. Ein überdimensioniertes Schild darunter gibt keine Erklärung dazu ab, wer denn Ringelnatz war, sondern erklärt ausführlich weshalb die Straße nicht mehr nach Frenssen benannt ist.  

Aktuelle und anstehende Debatten:

G. Frenssen - „Recht oder Unrecht“ (1940) [Teil 2]

Was schrein die Machthaber und Wortführer von England und Frankreich, als wollten wir Deutsche [...] über unsern Lebensraum hinaus? Was schreien sie diese offenbare, diese verrückte Lüge in alle Welt hinaus?" (S. 14)
Für die Mehrheit der Deutschen des Jahres 1940 mag diese Behauptung Frenssens vermutlich der wahrgenommenen Realität entsprochen haben: Dass Hitler lediglich die Bestimmungen des Versailler Vertrages rückgängig machen, dem Deutschen Reich wieder seinen Platz in Europa verschaffen und dabei alle mit deutscher Bevölkerungsmehrheit besiedelten Gebiete „Heim ins Reich" holen wollte, waren Forderungen, die breite Akzeptanz in der Bevölkerung jenseits der politischen Couleur besaßen. Wer Hitlers „Mein Kampf" (1925) tatsächlich gelesen hatte, konnte dagegen erkennen, dass die immer radikaleren judenfeindlichen Maßnahmen im Inland als erster Schritt einer „Germanisierung" Europas in einem Völkermord-Krieg gegen Juden und „Untermenschen" gedacht wurden:

Seit Jahrhunderten zehrte Rußland von (dem) germanischen Kern seiner oberen leitenden Schichten. Er kann heute als fast restlos ausgerottet und ausgelöscht angesehen werden. An seine Stelle ist der Jude getreten. [...] Das Riesenreich im Osten ist reif zum Zusammenbruch. Und das Ende der Judenherrschaft in Rußland wird auch das Ende Rußlands als Staat sein." (Hitler, „Mein Kampf", Zweiter Band, Seite ?)
Ob Frenssen diese Zeilen kannte oder nicht, also entweder bewusst log oder sich selbst und andere täuschte, bleibt unerheblich. In seinen Schriften nach 1933 hatte er sich willig der nationalsozialistischen Propaganda verschrieben und leistete dieser je nach aktuellem Stand der Lüge bereitwillig Dienste:
Wenn er die Annexion Böhmens und Mährens als „freiwilligen Akt" seitens der Tschechen (und Slowaken) darstellte (siehe Teil 1), log er zusammen mit der nationalsozialistischen Propaganda über die Unterdrückung eines anderes Volkes, obwohl gerade dies die Falschheit der Behauptung, dass es Hitler nur um die Heimholung der Deutschen ginge, deutlich machte.
In der „Lebenskunde" von 1942 schwenkt er dann schließlich in den Realität gewordenen Wahn ein: Dass die Deutschen nicht nur durch verbesserte Organisation und Steigerung der Landwirtschaft in ihrem Raum" in Europa leben würden, sondern auch „ein Tag kommen könne" (und damals schon gekommen war), an dem sie auch neuen Raum erobern würden, verkündete Frenssen nun wie selbstverständlich.

Und nun will ich also von diesem Hitlertum sprechen: [...] Wer findet das Wort? [...] [Das Wort,] Das Deutschland endlich, endlich einig machte, zu einem Wesen zusammenballte! Und damit wieder stark und ehrlich machte! Wer... wer findet das Wort? Seht, ihr Menschen, es ist nicht leicht, es verständlich zu machen: da ist ein Mensch... da steht Gott selbst... vor dem Schmelzofen seiner Schöpfung: es glüht und sprüht und funkelt... ein Chaos! Da sagt er ein Wort, ein einziges Wort; und sieh, es fließt zusammen. [...] Wer fand das Wort? [...] Er [= Hitler] fand das Wort [...] ein einfacher deutscher Soldat. [...] Er suchte für das Wort, das Wunderwort, das in ihm war, eine Fassung und fand sie. Es ist nicht die rechte Fassung. Die rechte ist allein sein Name. Denn er selbst, in seinem Wesen... und auch in dem Weg seines Lebens bis dahin..., daß er ein Arbeiter der Faust war zuerst, danach einsamer und mühsamer Bildner seiner selbst, danach Soldat unter den andern Millionen: er selbst war das Wort. Aber er gab ihm einen anderen Namen. Er nannte es nationalsozialistisch. Sein Bruder in Italien [= Mussolini][...] nannte sein Wort und Werk: faschistisch. [...]
Der Hitlerismus, das Hitlertum, eine Sache von gestern? Wohl tausend Jahr lang suchte das deutsche Volk seines Wesens Sinn und Art... Es fand sie" (S. 34f.)
An diesem Abschnitt wird die ganze fanatische Übertreibung von Frenssens Hitlerverehrung deutlich, die religiöse Züge im Stil des Johannesevangeliums trägt („Am Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort."). Hitler wird als göttlicher Retter und Einiger der deutschen Nation dargestellt. In der idealisierenden Form einer nationalsozialistischen „Heilsgeschichte" wird seine Biographie und sein Aufstieg als von der Vorsehung bereitete und vorbestimmte Entwicklung dargestellt. Die Person Hitler ist nur die menschliche „Hülle" durch die ein seit „tausend Jahren" suchendes Volk sein „germanisches Wesen" verwirkliche.

Und so hat der Nationalsozialismus eine völlige Erneuerung, ja eine Neuschaffung, und damit eine gewaltige Gesundung und Kräftigung unseres Volkes gebracht. [...] Oder haben unsere Feinde eine Hoffnung auf eine Revolution? Auf eine Trennung vom Führer? [...] Man macht keine Revolution gegen sein eigenes Wesen, gegen das eigene Herz" (S. 55, 57).
Fazit:
Die totalen Besessenheit vom "Führer" und der damit verbundene Kult einer geschichtstheologischen Erlösungshoffnung durch den Nationalsozialismus, der göttlich sanktioniert ist, finden hier einen kaum zu überbietenden Ausdruck. Dass die Propagandaschrift „Recht oder Unrecht" (wie auch „Der Glaube der Nordmark" (1936)) heute nicht nur als antiquarisches Exemplar noch verhältnismäßig häufig frei zum Verkauf angeboten wird und sogar Faksimiles der Broschüre von neonazistischen Internetshops angeboten werden, zwingt zu der bitteren Erkenntnis, dass es offensichtlich Frenssens „Alterswerk" ist das ihn am längsten zu überleben scheint. 

G. Frenssen - „Recht oder Unrecht“ (1940) [Teil 1]

Diese Schrift Frenssens stellt eine nationalsozialistische Geschichtstheologie dar. Frenssen will zeigen, daß der Nationalsozialismus und der „Hitlerismus“ die göttlich-legitimierte und vollendete Form der Regierung und Führung des deutschen Volkes darstelle. Die Niederlage im 1. Weltkrieg (1918) und den Versailler Vertrag (1919) seien der „jüdische" Versuch einer Demütigung und Unterjochung Deutschlands gewesen, der durch den „göttlichen“ Eingriff Hitlers entgegen getreten worden sei. Die Verfolgung der Juden und die Zerstörung der Demokratie und der Grundrechte seit 1933, die Besetzung der Tschechoslowakei (sog. „Protektorat Böhmen und Mähren“) und den deutschen Überfall auf Polen rechtfertigt Frenssen mit Propagandalügen als Form der Selbstverteidigung. Hitler wird von dem ehemaligen Pastor als „Erlöser“ ähnlich der Art der Theologie des Johannesevangeliums beschrieben und bedingungslos verehrt.


Kommentierte Auszüge:
Die Juden sind vor etwa hundert Jahren als Vollbürger in unser Volk aufgenommen worden. Obgleich dies geschehen war, hielten sie sich aber weiterhin, wie überall, in allen Völkern, für sich gesondert. [...] Sie waren also nicht Deutsche, wollten es auch nicht sein; sonst hätten sie sich mit uns Deutschen vermischt. Nein, sie waren und blieben ein fremdes, kleines Volkstum in unserem großen Volk, und wollten es sein.“
Erst 1871 war den Juden in Deutschland, nach Jahrhunderten der Verfolgung und Rechtsbeschränkung durch einen fast zwei Jahrtausende alten christliche Antijudaismus die vollständige bürgerliche Gleichstellung gewährt worden, von Anfang an vom Widerstand der konservativen Eliten begleitet. 
Von Neonazis gern kopiert: Frenssens
nationalsozialistische Propagandaschrift
von 1940 (G. Grote Verlag Berlin).
Frenssen macht die Juden für das Scheitern einer Agenda verantwortlich, die von Anfang an nicht ehrlich gemeint war: Wie Martin Luther, der erwartete, daß mit der Reformation der Kirche die Bekehrung der Juden zum Christentum erfolgen würde und - als dies nicht eintrat mit der Schrift „Von den Juden und ihre Lügen“ (1543) ihre erbarmungslose Verfolgung und Vertreibung forderte, zeigt auch Frenssen zunächst jene unehrliche Haltung der Emanzipationsbestrebungen im Deutschland des 19. Jahrhunderts, daß ein Jude, dem man alle Rechte verleihe, dann nicht mehr Jude/jüdischen Glaubens sein dürfe, sondern „Verschwinden“ (im Volk aufgehen) müsse. 
In einer Zeit, in der auch Heiraten zwischen den christlichen Konfessionen eine seltene Ausnahme bildeten, macht Frenssen den Juden zum Vorwurf sich nicht „vermischt“ zu haben. Daß die innerjüdischen Bestrebung nach „Akkulturation“ oder „Assimilation“ an die deutsche Kultur - Judentum nicht als Nations- oder Volkszugehörigkeit, sondern als Konfession/Glaube, mit der Einführung deutschsprachiger Gebet- und Gesangbüchern und Orgeln (!) in den Synagogen (siehe: Israel Jacobson) - kaum in einem anderen Land größer war als in Deutschland; daß 100.000 jüdische Männer im 1. Weltkrieg auf deutscher Seite kämpften (80.000 Frontsoldaten, 35.000 ausgezeichnet, 12.000 Gefallene), erwähnt Frenssen natürlich nicht.
Er zeichnet das nationalsozialistische Zerrbild von den dem „germanischen Wesen“ feindlichen und gänzlich fremden Juden, das dem moderne Antisemistismus entnommen ist: Den von Wilhelm Marr 1879 geprägten Begriff kennzeichnet die auf der Rassentheorie" basierende Vorstellung, daß Judentum und Germanentum" zwei entgegengesetzte Kräfte der Geschichte seien. Eine Vermischung" sei daher unmöglich und wäre- so der Titel von Marrs Schrift  - „Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum".      
In diesem Fahrwasser bewegt sich auch Frenssen: Die scheinbare Großzügigkeit Deutschland, die von den Juden, aufgrund ihrer Fremdheit ausgeschlagen wurde, dient Frenssen als Rechtfertigung ihrer Verurteilung. Denn eben jene Juden, denen wohlgemerkt nur vorgeblich noch die Vermischung mit den Deutschen angeboten wurde, sind nun die gänzlichen Fremden".
Daß, was jüdische Mitbürger in ihrem Aufstieg in die bürgerliche Gesellschaft des Kaiserreiches und der Weimarer Republik erreichten, galt ihm - und den Antisemiten - als Angriff eines fremden Volkes von innen:
Aber dann! Als unser Volk 1918 ausgeblutet, und darauf von seinen Gegnern geschändet [...] verzweifelt war [...] da, ja da geschah etwas Ungeheuerliches. Da griff das kleine, fremde jüdische Volk, verlockt von der wunderbaren Gelegenheit, in wilder, in unsagbarer Taktlosigkeit, in gewordener Gier nach der Herrschaft über das deutsche Volk. [...] Im Staatswesen und der Politik: sie bestimmten den Weg. [...] Schrecklich war der Zusammenbruch [1918]! Schrecklicher der Friede von Versailles, dieser untermenschliche Mordversuch perverser Idioten an einem Edlen Volk! Aber dies, was danach kam, dieser Versuch, und - wie es schien - glückende Versuch des kleinen fremden jüdischen Volkes in unserm großen deutsche Volk [...] das war das Tollste. […] Ich sage: da war kein Geldstück in unserm Land, kein Beschluß in Politik und Verwaltung, kein Hörsaal, keine Volksschulklasse, auf denen nicht die Hand der Juden lag.“ (S. 6ff.)
Der Niederlage des 1. Weltkrieges, selbst der harte Frieden von Versailles seien - so Frenssen - weniger schlimm als der innere Angriff der Juden gewesen. Frenssen identifiziert die Weimarer Republik als „Judenrepublik“. Es ist die klassische irrationale Paranoia und Verschwörungslogik moderner Antisemiten, daß sie den Geschichtsverlauf vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Welteroberungsprogramm der Juden deuten („Protokolle der Weisen von Zion“). Frenssens so geäußerter fanatischer Judenhass entspricht dabei der irrationalen Größe seiner Behauptung von der totalen Herrschaft der Juden über Geld, Politik und Bildung. 
Das deutsche Volk erholte sich vom Mordanschlag von Versailles. Es erholte sich so weit, daß es auf seinen Knien liegen konnte. Dann kam ein Mann [= Adolf Hitler] und machte es wach. Noch halb betäubt, erhob es sich von den Knien und stand wieder auf seinen Füßen. Es sah sich um. Was sah es? Was war das erste, das es sah? Daß dies fremde kleine Volk sein Herr war, sein Herr in allem. Und es verhöhnte. Was geschah?... Was geschah? Ja, was konnte geschehn, als daß dies deutsche Volk rasend wurde? Über solche unsagbare Schmach! Von denen ihm angetan, die es hundert Jahre lang freundlich unter sich geduldet hatte? Es wurde rasend. Es jagte die Meisten weg. Es jagte sie aus dem Land. Es säuberte den Boden seiner uralten Heimat. [...] Gerecht oder nicht... es ist vielleicht nicht menschliche, es ist wohl göttliche Gerechtigkeit!“ (S. 8-10).
So extrem wie Frenssen sich in seinen Lügen über die vermeintliche „Judenherrschaft“ ausläßt, dienen sie ihm als Rechtfertigung der nationalsozialistischen Unterdrückung und Verbrechen, die sich schon in den Jahren 1933 bis 1939 abspielten, darunter Berufverbot, KZ-Haft, Folterungen und Ermordungen, Zerstörung jüdischer Geschäfte und Enteignungen und die Zerstörung der meisten Synagogen in Deutschland in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, in der mindestens 400 jüdische Mitbürger getötet oder in den Selbstmord getrieben und 25.000 Juden in KZs inhaftiert wurden. 

In den weiteren Kapiteln verteidigt Frenssen die außenpolitischen Ambitionen Hitlerdeutschlands, die er sich bemüht als Sammlung des deutschen Volkes und gerechte Selbstverteidigung vor allem gegenüber dem britischen Imperialismus darzustellen. Dabei muß er auch die Besetzung der „Rest-Tschechei“ rechtfertigen:
 „Bald danach, als eine Folge dieser Heimkehr [des Sudentenlandes ins Reich] bot sich ein kleiner fremder Volkssplitter , Böhmen-Mähren, freiwillig uns an. Jawohl „freiwillig“! Denn er hatte schon tausend Jahre lang, mehr oder weniger enge, zu uns gehört. Und er war zu klein, um selbständig leben zu können. Er mußte auch fürchten, alleinstehend, von einem der Nachbarn vergewaltigt zu werden. Er schloß sich uns an, weil er ringsum von unserem Gebiet umgeben war.“ (S. 11)
Für Frenssen ist das tschechische Volk nur ein „Splitter“, der deshalb kein Recht habe, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das Hitler als Argument für die Besetzung des Rheinlands, dem Anschluß Österreichs und der Annektion des Sudentenlandes in Anspruch genommen hatte, für sich anzuwenden. „Freiwillig“ habe es sich angeschlossen. Frenssen macht so den „Vergewaltiger“ (Deutschland) zum vermeintlichen „Beschützer“.
Sind die Tschechen zumindest noch ein halbes Volk, so urteilte Frenssen über Polen, das nach dem 1. Weltkrieg Gebiete in Westpreußen, Posen und Oberschlesien zugesprochen bekommen hatte noch deutlicher:
 „Niemals, zu keiner Zeit, war es länger als fünfzig Jahre konsolidiert, ein Volk aus eigener Kraft. Und immer, zu jeder Zeit seiner Vergangenheit, hatte es schlecht um seine Kultur gestanden. […] Der Vertrag von Versailles stellte diese staatliche Unfähigkeit, diesen Nichtstaat wieder her. […] Hochkultiviertes deutsches Volk wurde der  „polnischen Wirtschaft" überantwortet, die in ganz Mitteleuropa sprichwörtlich bekannt ist, der Unordnung, dem Schmutz, der Armut. Ja, und wurde gequält! Es wurde von diesem Nichtstaat, dieser Unkultur gequält! […] So mußte es [= Deutschland] diesem Zustand der Quälerei seines Blutes, dieser seiner Schande ein Ende machen... Es hat ein Ende gemacht." (S. 12f.)
Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 markiert den Beginn des 2. Weltkrieges. Frenssen argumentiert nicht allein mit dem Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, sondern bewußt und aggressiv mit der „Unkultur“ Polens, das weder je ein Volk, noch einen Staat gebildet habe. Das „Ur-Recht alles Volkswesens“, das für die Deutschen gilt, gilt für die Polen nicht. Frenssen stimmt damit in die rassistische Völker-Hierarchie der Nationalsozialisten ein.  

Fazit:
Frenssen rechtfertigt ausnahmslos die seit 1933 stattfindende Judenverfolgung, die Annexion der Tschechoslowakei und den deutschen Überfall auf Polen. Die antisemitischen und rassistischen Lügen (über Juden, Tschechen und Polen) seien untrennbare Bestandteile der nationalen Wiederherstellung des Deutschen Reiches. Er steht damit ganz auf der Linie nationalsozialistischer Politik, die die Vertreibung (und spätere Ermordung) der Juden und die Vorherrschaft der Deutschen über die europäischen Völker als Ziele ihrer „Bewegung“ definierte.

Sonntag, 24. März 2013

Gustav Frenssen - „Lebenskunde“ (1942)

Die „Lebenskunde“ genannte Schrift Frenssens ist eine Rechtfertigung für die (Massen)Tötung von „minderwertigem, lebensunwertem Leben“ ((Zwangs)Euthanasie (griechisch: „Schöner Tod“)) und Menschenzucht (Eugenik). Für Frenssen sind dies Bestandteile und Verpflichtungen des „göttlichen Gesetzes“, das der Gesunderhaltung und dem Überleben der eigenen, germanischen „Rasse“ diene. In Lebenskunde will er einen Leitfaden geben, wie das „Germanentum“ seiner biologischen Natur gerecht werde und läßt keinen Zweifel daran, daß dies unter Hitler und dem Nationalsozialismus auf beste Weise verwirklicht werde. Frenssen machte die radikalen und menschenverachtenden Endziele des Nationalsozialismus in dieser Schrift deutlich. Mit seiner Offenheit war er sogar in Konflikt mit der offiziellen Position der NSDAP geraten, die bemüht war ihre verbrecherischen Absichten und Taten eher zu verschleiern.

Die folgenden kommentierten Auszüge sollen die deutlichsten Aussagen wiedergeben:

„Ich meinte auch, jedermann müsse gut sein, ohne Ende und Grenze, und man müsse jedem Unglücklichen und Armen bis zum letzten Brot und Hemd beistehn. Wenn man so zu ihnen wäre, meinte ich, fänden sie sofort den Weg zu Fleiß, Ordnung und Wirtschaftlichkeit, zu allem Guten. Obgleich ich wohl sah, daß sich oft gut mit schlecht verheiratete, und, wenn auch der eine Partner fast ein Krüppel war, reich mit reich, meinte ich, daß alle Ehen ohne Ausnahme von Gott gestiftet wären, der es ja immer gut meinte, der ja immer ein Schenkender war. Wenn dennoch die Scherben bis auf die Straße flogen, hätten böse Geister ihr Spiel; die Menschen wären unschuldig.“ (S. 6f.)
Frenssen blickt hier auf seine Zeit als evangelischer Pastor in Hemme und Hennstedt zurück (1890-1902). Er macht gerade für diese Zeit den vermeintlichen Beginn einer Verschärfung diese schlechten Entwicklung aus:  

„Diese Jahrhunderte lange, gedankenlose Nichtachtung hat sich in den letzten fünfzig Jahren in eine bewußte, widernatürliche und also widergöttliche Mißachtung und offenbares Verbrechen gegen die göttliche Natur gewandelt. Denn während dieser letzten Jahrzehnte ist, aus sogenannten humanen Gründen (die den biologischen Gesetzen feindlich und also widergöttlich sind) alles Erbkranke mit mehr Sorgfalt gepflegt worden als das Gesunde. Es ist auch in keiner Weise verhindert worden, daß es sich fortpflanzte. Und was noch folgenschwerer ist: die körperlich und geistig Gesunden (welche zugleich die Verantwortlichen und Wirtschaftlichen sind), haben die Erzeugung von Nachkommen künstlich gehindert. Und so haben sich seitdem die Kranken und Unverantwortlichen weit mehr vermehrt als die Gesunden und Verantwortlichen.“ (S. 51f.)
Frenssens Kritik gehört in die Tradition des Sozialdarwinismus: In Konservativ-elitären Kreisen des Kaiserreiches (1871-1918) propagierte man, daß die mit der Industrialisierung einsetzende Auseinanderentwicklung der höheren Geburtenraten der niederen Schichten der Arbeiter (des Proletariats) und die gleichzeitig niedrigere Geburtenrate der oberen Gesellschaftsschichten zu einem rassischen Verschlechterung und dem Niedergang des Volkes führen. Überzeugt von der Unbestechlichkeit der Rassenmerkmale, die nicht durch Bildung und Erziehung überwunden werden könnten, wurden im Nationalsozialismus radikale Programme durchgeführt, die sich gegen die Ausbreitung der „Asozialität“ richteten. Frenssen beschreibt und empfiehlt diese im folgenden:

Diese Todesgefahr unsres Volkes zu beseitigen, müssen die, welche krankes Erbe haben, unfruchtbar gemacht werden, damit sie dies ihr Erbe nicht weiter fortsetzen und vermehren. Solche Kranke sind: die in dritter Generation erblich körperlich oder seelisch Schwächlichen und Verkrüppelten. Ferner, die sich schon in der dritten Generation, unverantwortlich und unwirtschaftlich, von Nachbarn oder Gemeinschaft unterstützen und Unterhalten lassen, weil sie verschmutzen oder verderben, was immer in ihre Hände gerät. Ferner die sittlich Verfallenden (Labilen), die in kranken Neigungen (Trunksucht, Perversität, Eigentumsverbrechen), immer wieder die Notwendigkeiten der Gemeinschaft stören, hemmen und verletzen.“ (S. 52f.)
Von Zwangssterilisierungen waren im Dritten Reich mehrere 100.000 Frauen betroffen.
Doch nicht nur Sterilisation befürwortet Frenssen. Er rechtfertigt ausdrücklich, die nationalsozialistischen (Massen)Morde (Etwa in der T4-Aktion). Er führt jene bewußt undeutlich umrissenen Kategorien von unerwünschten Menschen an, nach denen zu Zehntausenden Menschen vergast, zu Tode gespritzt und erschossen wurden. Unter dem Begriff „Volksfeinde aus krankem Willen oder um Geld“ lassen sich zum Schluß alle sonstigen dem Regimes unliebsamen Gruppen von Menschen zusammenfassen, wobei mit dem Hinweis auf das „Geld“ sich eine Beziehung zum Antisemitismus ergibt (in Sinne der Wahnvorstellung eines „Internationalen Finanzjudentums“):

„Die aber, die unheilbar sind und so schwer krank, daß ihr Leben für sie selbst kein Menschenleben mehr ist, die auch in der Gemeinschaft der Menschen nicht mehr mitleben können, Mensch mit Mensch, sollen nach germanischem Gefühl für das Wahre, mit ihrer Billigung oder nach dem Willen der Gemeinschaft, ausgelöscht werden. Solche Kranke sind die völlig verkrüppelten Neugeborenen, die unheilbaren Idioten, die unheilbar Irren. Ferner die gebornen Mörder, Rohlinge (Gewalttäter), Einbrecher, Diebe, Arbeitsunwillige, Herumstreicher, Volksfeinde aus krankem Willen oder um Geld. [...] Es ist dem germanischen Gewissen unwahr und unrecht, sie weiterhin die Volksgemeinschaft schädigen zu lassen, wahr und recht, sie auszulöschen.“ (S.53f.)
Diese Maßnahmen haben einen nach innen, aber auch einen nach außen gerichteten Zweck:

„Die heiße Sorge um die biologische Gesundheit ist auch notwendig wegen der tödlichen Gefahren, die von außen, von andern Völkern her, über das Volk kommen können. Denn das Volk muß sich vor Augen halten, daß jedes andre Volk, nah oder fern, heute noch friedlich, morgen zum Tiger werden kann, der ihn und seine Kinder frißt. Das Volk muß auch wissen, daß der Tag kommen kann, da es sich Raum schaffen muß, wo immer auf der Erde für seine Rasse und seine Freunde. Denn es hält sich wert, zu menschenwürdigem Dasein Raum zu haben auf der Erde, die Raum für Alle hat.“ (S. 92)
Hatte Frenssen noch in „Recht oder Unrecht“ von 1940, vor dem Überfall auf die Sowjetunion, die Behauptungen der Gegner Hitlers, er plane eine dauerhafte Unterwerfung, Versklavung bzw. Ausrottung der europäischen Völker durch einen „Lebensraum“-Krieg als Lüge zurückgewiesen (Generalplan Ost), rechtfertigt Frenssen hier die Eroberung neuen „Raumes“ auf Kosten anderer. Er macht zugleich diese anderen (nicht-germanischen) Völker verantwortlich, die dem deutschen Volk den Raum beschnitten hätten („der ihn und seine Kinder frißt“), und begründet die Berechtigung des „Eroberungs(- und Vernichtungs)krieges des „Dritten Reiches“ mit der nur vermeintlich friedlichen Formel, daß die „Erde [.] Raum für alle“ habe.

„Damit das Volk, nach dem göttlichen Drang und Willen, in seiner Gesamtheit auf dem Weg des Wahrgutschönen rüstig fortschreite, und also gesund sei und bleibe, und blühe, wer soll im Volk die Führung haben? [...] Nicht eine Demokratie (Herrschaft der Gesamtmasse); [...] Sondern eine Agathokratie. Die Herrschaft des Guten (der Gutwilligen). [...] Und wie wird der immer Bessere gefunden? Nicht durch Reden und Gegenreden. Nicht durch Wahlzettel. Nicht durch Lärm und Zwang. Sondern durch stilles Entscheiden, innerhalb der Arbeitsgebiete, von unten nach oben. Und dann der Arbeitsgebiete untereinander ... Und zuletzt ist der Beste zu finden.
Und dem ist alle Gewalt zu geben. [...] Einer muß sie haben, damit das Nötige geschähe, und bald und völlig ... so ist es in einem Volke. Und in keinem nötiger als im deutschen, das voll bunter Geister, und von Gott verantwortlich gemacht, Herz, Hirn, und Schwert zu sein für den buntesten Erdteil.
In dieser Zeit ist die Führung in den Händen des Besten, und wird es bleiben, solange er lebt. Er hat auch, nach seinem unsagbaren Verdienst um sein Volk, das Recht, den zu bestimmen, der nach ihm die Führung haben soll. Er soll auch noch, wenn er ihn erkennt, aus dem Geschlecht der jungen Helden, den nennen, der danach die Führung haben soll. Wie danach, wenn dies Geschlecht dahingegangen, im Einzelnen der Führer gefunden werden soll, wird seine Weisheit wissen und uns sagen.“ (S. 96-99)

Frenssen ist ein unversöhnlicher Gegner der Demokratie. In der totalen Diktatur des „Besten“, als den er Hitler ansieht, im „Führerprinzip“, verwirkliche sich seine Ideologie, nach der die Deutschen auch über Europa herrschen sollten. Seine Verehrung Hitlers ist so groß, daß er diesem auch noch die Festlegung seines Nach-Nachfolgers aus den „jungen Helden“ (den Weltkriegssoldaten) übertragen will.

Fazit:
Die radikale Propaganda Frenssens umfaßt in der „Lebenskunde“ die breite Palette des nationalsozialistischen Rassenwahns mit ihrer ganzen Konsequenz. Im Jahr 1942 waren bereits hunderttausende Frauen sterilisiert, hunderttausende Behinderte, Kranke oder „Volksfeinde“ ermordet und Millionen Menschen im „Lebensraum“-Krieg getötet worden. Im Januar 1942 regelte die Wannsee-Konferenz den Ablauf des fabrikmäßigen Mords an den Millionen europäischen Juden, den Hitler in einer Rede vom 30. Januar 1939 „prophezeit“ hatte. Frenssens Überzeugung von, und aktive Rolle bei der Rechtfertigung dieser Ziele ist unleugbar und macht eine „Gustav-Frenssen-Straße“ unhaltbar.