BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Freitag, 26. April 2013

Heinrich Mann - Kurzbiographie


Herkunft und Frühe Jahre (1871-1903)

Heinrich Mann, der älteste Sohn des Lübecker Senators Thomas Johann Heinrich Mann (1840-1891) und seiner deutsch-portugiesischen Ehefrau Julia da Silva-Bruhns (1851-1923), wurde 1871 in Lübeck geboren. nach dem Abschluß des Gymnasiums verließ er 1889 er die Stadt, die er in seinem Roman "Prof. Unrat" (1905) als Stadt der beschränkten "Pfahlbürger" und in "Der Untertan" (1914/1918) als das spießbürgerliche "Netzig" karikiert. Nach einer Buchhändlerlehre in Dresden und einem Verlagsvolontariat in Berlin, konnte es sich Heinrich Mann - nach dem Tod des Vaters 1891 mit einer Rente aus dem Erbe ausgestattet - erlauben, ein recht freizügiges Leben mit Aufenthalten in Italien und Frankreich zu führen.

Schon in den 1890er Jahre beginnt er schriftstellerisch aktiv zu werden. Diese erste Phase bis etwa 1904 ist als Phase der Selbstbestimmung zu sehen in der Mann auch versuchte den Anschluss an die literarische Moderne des "Fin de Siècle" zu finden - mit all ihren problematischen Erscheinungen. Wie peinlich Mann sein Frühwerk war, ist aus der Zurückhaltung zu ersehen mit der er sich darüber äußerte. Seinen ersten Roman "In einer Familie" verleugnete er er bis zu seinem 50. Lebensjahr.
Verständlich wird dies nicht nur in künstlerischer Hinsicht, sondern auch in politischer. Denn hier steht Mann teils deutlich im Gegensatz zu seinem späteren Schaffen: Zu seinem essayistischen Gesamtwerk mit über 1000 Texten zählen auch 37 Beiträge, die er in einer kurze Phase als Herausgeber der national-konservativen Zeitschrift "Das Zwanzigste Jahrhundert - Blätter für deutsche Art und Wohlfahrt" verfasste (1895/96). Das Journal bot alle Facetten des Wilhelminismus jener Jahre: Militarismus, Deutschtümelei, Hohenzollernkult. Darunter finden sich auch antisemitische Pamphlete, wie der Artikel "Jüdischen Glaubens" (5. Jahrgang, Nr. 11, S. 455-462), in dem er schreibt:
"Jeder vom nationalen und sozialen Gewissen geleitete wird daher Antisemit sein." (S. 462)
Auch in seinem ersten satirischen Roman "Im Schlaraffenland" (1900) und in "Die Göttinnen" (1902), werden antisemitische Stereotypen bedient. In seiner Zeit als Volontär beim S. Fischer Verlag hatte Heinrich Mann jenen aggressiven Antisemitismus des Kaiserreiches unbedacht aufgesogen. Er ist dann aber auch eines der wenigen Beispiele für ein Umlernen in Sachen Antisemitismus. In einem Brief von 1903 distanzierte er sich von seiner Mitarbeit am "Zwangzigsten Jahrhundert": "[Ich] redigierte ohne Überzeugung ein reaktionäres Wurschtblatt." In dem von Werner Sombart herausgegebenem Sammelband "Judentaufen" (1912) äußerte er schließlich auch öffentlich die positive Wirkung der jüdischen Mitbürger in der deutschen Kultur.
Das nach diesem persönlichen Wandel entstehende Hauptwerk Heinrich Manns das durch sein schon im Kaiserreich einsetzendes intensives öffentliches Engagement gegen Militarismus, falsche Obrigkeitstreue und Antisemitismus bestimmt ist (wie sie später im Nationalsozialismus in extremer Form kulminierten), hat schließlich bis heute - zurecht - das Bild seiner Person bestimmt.

Abkehr vom Wilhelminismus und Antisemitismus und Hinwendung zu Demokratie und Pazifismus (1904-1918)

Je länger Heinrich Mann sich in Italien aufhielt, desto mehr hatte er vermochte die durch das Klima des "Neuen Reiches" verfestigten Werte, Klischees und Stigmata abzulegen:
In Maximilian Hardens Zeitschrift "Die Zukunft" äußerte er 1904 in einem Essay eine scharfe historische Kritik am deutschen Machtstaat. In seinem Roman "Die kleine Stadt" (1909) geht er diesen Weg auf erzählerische Weise. Er zeichnet hierin mit hunderten charakteristischer Figuren eines kleinen italienischen Gemeinwesens ein Gegenbild zum wilhelminischen Deutschland, das als "hohes Lied der Demokratie" wirken sollte.
Ein anderer Roman, dessen Titel heute keinesfalls mehr so gewählt würde ("Zwischen den Rassen" (1907)), verdeutlicht Heinrich Manns Übergang vom Konservatismus zum Liberalismus, denn die Liebesgeschichte zwischen einem "nordischen Träumer" und einer "Südländerin" enthält mit Berufung auf den Naturrechtsphilosophen Rosseau eine Erörterung revolutionär-demokratischer Gedanken. Sein Aufenthalt in Italien hatte Heinrich Mann auch vor Augen geführt, dass er selbst das Ergebnis einer "Rassenmischung" und damit im Sinne des biologistisch-rassistischen Denkens ein "Verfallsprodukt" war.
Als Manns ausgereiftes und wohl bekanntes Werk, das seine politische und schriftstellerische Entwicklung am kann schließlich der am Vorabend des 1. Weltkriegs erschienene Roman "Der Untertan" gelten (erste Notizen 1906/07, Abgebrochener Vorabdruck im Juli 1914, Erstveröffentlichung Dezember 1918). Die Aufstiegsgeschichte des deutschnationalen Fabrikbesitzers Diederich Heßling nimmt als so gekonnt geschriebene Satire die wilhelminische Gesellschaft aufs Korn, wie - so der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler - schreibt: "kein Historiker das je so eindringlich beschreiben könnte."
Den Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich, das die Juden mit seiner Gründung 1871 zu gleichberechtigten Staatsbürgern gemacht hatte, bekämpft Heinrich Mann zur selben Zeit so vehement in anderer literarischer Form, wie er ihn einige Jahre zuvor bedient hatte. (s. o.: Werner Sombart: "Judentaufen" (1912)). Auch beginnt bald ein intensiver Gedankenaustausch mit deutsch-jüdischen Intellektuellen darunter: Max Brod, Lion Feuchtwanger, Erich Mühsam, Kurt Tucholsky, Joseph Roth und Stefan Zweig.
1914 heiratet Heinrich Mann die jüdische Schauspielerin Maria (Mimi) Kanova aus Prag (1886-1947 (gestorben an den Folgen der Haft im KZ Theresienstadt (1940-1945)). Aus der 1930 geschiedenen Ehe geht seine einzige Tochter Leonie Mann (verh. Askenazy, (1916-1986)) hervor.
Während des 1. Weltkrieges erscheint 1915 in Zürich, in der pazifistischen Zeitschrift "Die Weißen Blättern" sein Schlüsselessay "Zola". Auf 60 Seiten beklagt er, den Vergleich mit dem französischen Schriftsteller Emile Zola, der seit seiner Parteinahme in der antisemitischen Dreyfuss-Affäre ("J'accuse" (1898)) als Maßstab für intellektuelles Handeln galt, die allgemeine Kriegsbegeisterung, zu der sich auch Gerhart Hauptmann und sein Bruder Thomas ("Gedanken im Kriege" (1914)) hatten hinreißen lassen. Als einer der wenigen nimmt er Partei für eine demokratisch verfasste Gesellschaft und avanciert damit endgültig zu einem Vorbild für die linken Intellektuellen in Deutschland.

Weimarer Jahre (1918-1933)

Unmittelbar nach dem Krieg 1918 stellte sich Heinrich Mann sogleich dem demokratische Aufbau zur Verfügung und zwar weit links: Unter dem Bayrischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner (USPD) wird er Vorsitzender des "Politischen Rats geistiger Arbeiter" in München. Im Dezember 1918 erscheint "Der Untertan", dessen Veröffentlichung im Sommer 1914 durch den Ausbruch des Weltkrieges verhindert worden war. 1919 folgt auch der Essayband "Macht und Mensch" mit dem Reklamestreifband versehen: "Heinrich Mann für die deutsche Republik!". Er enthält u.a. den "Zola" und die abschließende Kritik am Kaiserreich ("Kaiserreich und Republik").
Während seinem romanistischen Werk ("Eugenie oder die Bürgerzeit" (ersch. 1928) - eine Art Gegenstück zu Thomas' "Buddenbrooks") der Erfolg in diesen Jahren versagt blieb, hat Heinrich Mann in der Zeit der Republik über 300 Essay veröffentlicht, die in Tageszeitungen ("Berliner Tageblatt", "Frankfurter Zeitung") und literarischen Zeitschriften erscheinen und ihm eine hohe Reputation verschafften. Wohlwollend (Wahlaufrufe für demokratische Parteien), aber mit kritischer Sicht ("Gegen Zensur, für Sittlichkeit" (1926)) wird Heinrich Mann zu einem Kämpfer für die Republik, vor deren Scheitern er bald warnen muss ("Bekenntnis zum Übernationalen" (1932)).
Auch setzt er sich für eine Verständigung und Versöhnung mit Frankreich ein ("Deutschland und Frankreich" (1923)) und tritt noch stärker gegen den Antisemitismus ein ("Das auferstandene Land", in: "Der Jude", Sonderheft Nr. 1 (1925); "Der Antisemitismus und seine Heilung", in: "Die Wahrheit" (Prag, 1928)).
1931 wird er Präsident der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste. Sein Ruf unter linken Intellektuellen ist so hervorragend, dass ihn Kurt Hiller in "Die Weltbühne" (Februar 1932) sogar für das Amt des Reichspräsidenten vorschlägt.
1932 unterzeichnet er u.a. einen Appell des Sozialistischen Kampfbundes gegen Hitler, ruft zur Wahlbeteiligung und - mit Albert Einstein und Käthe Kollwitz zur Opposition gegen die NSDAP und zum Zusammengehen von SPD und KPD auf. Am 15. Februar 1933 muss er von diesem Amt zurücktreten und wird mit anderen - u.a. Käthe Kollwitz - aus der Akademie ausgeschlossen. Am 21. Februar 1933 geht er ins französische Exil (Nizza (bis 1940)), im August wird er von Nazi-Deutschland ausgebürgert.

Exil und Kampf gegen Nationalsozialismus und Judenverfolgung, Tod (1933-1950)

Nach 1933 setzte er seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus in Frankreich fort: In der Zeitung "La Dépêche" kommentierte er für die französischen Leser monatlich die Vorgänge in Deutschland und versuchte die französisch-englische Stillhaltepolitik (Appeasement) gegenüber Hitler zu beenden. Über den intellektuellen Widerstand hinaus versuchte er auch den politischen zu fördern, was jedoch erfolglos blieb (ab 1935 von der KPD in Deutschland illegal verbreitete Schriften). Er galt - auch durch seine rege Beteiligung an deutschen Exilzeitungen ("Pariser Tageblatt", "Die neue Weltbühne") als "Stimme des anderen Deutschland".
1940 musste er über die Pyrenäen nach Spanien fliehen und gelangte am 13. Oktober 1940 nach New York, wo ihn sein Bruder Thomas begrüßte. In Amerika, anders als in Frankreich, verfügte er kaum noch über Publikationsmöglichkeiten, die ihn ökonomisch absichern konnten. Politisch beteiligte er sich jedoch weiterhin an den Veröffentlichungen der Bewegung "Freies Deutschland" in Mexiko.
Im amerikanischen Exil entsteht u.a. noch "Ein Zeitalter wird besichtigt", Heinrich Manns eigene sarkastische und zum Teil bittere Rückschau, historische Analyse der Zeitspanne, die er mit der französischen Revolution beginnen und mit der Landung der Amerikaner in der Normandie 1944 enden lässt.
Nach dem Krieg erhielt Heinrich Mann die offizielle Einladung zur Übersiedlung nach Ostberlin. 1949 folgte die Berufung zum Präsidenten der neugegründeten Akademie der Künste in der DDR. Am 12. März 1950 starb Heinrich Mann kurz vor der geplanten Rückkehr nach Deutschland in Santa Monica/Kalifornien. Seine Tochter lässt seine Urne 1961 nach Ostberlin überführen, wo sie auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt wird.

Literatur:

Carina Baganz: "Heinrich Mann", in: Wolfgang Benz: "Handbuch des Antisemitismus - Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart", Bd. 2/1 ("Personen A-K"), Berlin 2009, S. 513-514.
Wilfried F. Schoeller, Peter Klein (u.a.): "Heinrich Mann", in: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): "Kindlers Literaturlexikon", Bd. 3 ("Leo-Mar"), 3. völlig neubearb. Auflage, Stuttgart 2009, S. 652-663.
Klaus Schröter: "Heinrich und Thomas Mann", Hamburg 1993 (EVA Duographien, Bd. 1).
Peter Stein: "Heinrich Mann", Stuttgart 2002.
Rolf Thiede: "Stereotypen vom Juden - Die frühen Schriften von Heinrich und Thomas Mann", Berlin 1998.
Renate Werner: "Heinrich Mann", in: Walther Killy, Wilhelm Kühlmann (Hrsg.): "Killy-Literaturlexikon", Bd. 7 ("Kräm-Marp"), 2. vollst. überarbeitete Auflage, Berlin 2010, S. 650-655.

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