Herkunft und Frühe Jahre (1871-1903)
Heinrich Mann, der
älteste Sohn des Lübecker Senators Thomas Johann Heinrich Mann
(1840-1891) und seiner deutsch-portugiesischen Ehefrau Julia da
Silva-Bruhns (1851-1923), wurde 1871 in Lübeck geboren. nach dem
Abschluß des Gymnasiums verließ er 1889 er die Stadt, die er in
seinem Roman "Prof. Unrat" (1905) als Stadt der
beschränkten "Pfahlbürger" und in "Der Untertan"
(1914/1918) als das spießbürgerliche "Netzig" karikiert.
Nach einer Buchhändlerlehre in Dresden und einem Verlagsvolontariat
in Berlin, konnte es sich Heinrich Mann - nach dem Tod des Vaters
1891 mit einer Rente aus dem Erbe ausgestattet - erlauben, ein recht
freizügiges Leben mit Aufenthalten in Italien und Frankreich zu
führen.
Schon in den 1890er Jahre
beginnt er schriftstellerisch aktiv zu werden. Diese erste Phase bis
etwa 1904 ist als Phase der Selbstbestimmung zu sehen in der Mann
auch versuchte den Anschluss an die literarische Moderne des "Fin
de Siècle" zu finden - mit all ihren problematischen
Erscheinungen. Wie peinlich Mann sein Frühwerk war, ist aus der
Zurückhaltung zu ersehen mit der er sich darüber äußerte. Seinen
ersten Roman "In einer Familie" verleugnete er er bis zu
seinem 50. Lebensjahr.
Verständlich wird dies
nicht nur in künstlerischer Hinsicht, sondern auch in politischer.
Denn hier steht Mann teils deutlich im Gegensatz zu seinem späteren
Schaffen: Zu seinem essayistischen Gesamtwerk mit über 1000 Texten
zählen auch 37 Beiträge, die er in einer kurze Phase als
Herausgeber der national-konservativen Zeitschrift "Das
Zwanzigste Jahrhundert - Blätter für deutsche Art und Wohlfahrt"
verfasste (1895/96). Das Journal bot alle Facetten des Wilhelminismus
jener Jahre: Militarismus, Deutschtümelei, Hohenzollernkult.
Darunter finden sich auch antisemitische Pamphlete, wie der Artikel
"Jüdischen Glaubens" (5. Jahrgang, Nr. 11, S. 455-462), in
dem er schreibt:
"Jeder vom
nationalen und sozialen Gewissen geleitete wird daher Antisemit
sein." (S. 462)
Auch in seinem ersten
satirischen Roman "Im Schlaraffenland" (1900) und in "Die
Göttinnen" (1902), werden antisemitische Stereotypen bedient.
In seiner Zeit als Volontär beim S. Fischer Verlag hatte Heinrich
Mann jenen aggressiven Antisemitismus des Kaiserreiches unbedacht
aufgesogen. Er ist dann aber auch eines der wenigen Beispiele für
ein Umlernen in Sachen Antisemitismus. In einem Brief von 1903
distanzierte er sich von seiner Mitarbeit am "Zwangzigsten
Jahrhundert": "[Ich] redigierte ohne Überzeugung ein
reaktionäres Wurschtblatt." In dem von Werner Sombart
herausgegebenem Sammelband "Judentaufen" (1912) äußerte
er schließlich auch öffentlich die positive Wirkung der jüdischen
Mitbürger in der deutschen Kultur.
Das nach diesem
persönlichen Wandel entstehende Hauptwerk Heinrich Manns das durch
sein schon im Kaiserreich einsetzendes intensives öffentliches
Engagement gegen Militarismus, falsche Obrigkeitstreue und
Antisemitismus bestimmt ist (wie sie später im Nationalsozialismus
in extremer Form kulminierten), hat schließlich bis heute - zurecht
- das Bild seiner Person bestimmt.
Abkehr vom
Wilhelminismus und Antisemitismus und Hinwendung zu Demokratie und
Pazifismus (1904-1918)
Je länger Heinrich Mann
sich in Italien aufhielt, desto mehr hatte er vermochte die durch das
Klima des "Neuen Reiches" verfestigten Werte, Klischees und
Stigmata abzulegen:
In Maximilian Hardens
Zeitschrift "Die Zukunft" äußerte er 1904 in einem Essay
eine scharfe historische Kritik am deutschen Machtstaat. In seinem
Roman "Die kleine Stadt" (1909) geht er diesen Weg auf
erzählerische Weise. Er zeichnet hierin mit hunderten
charakteristischer Figuren eines kleinen italienischen Gemeinwesens
ein Gegenbild zum wilhelminischen Deutschland, das als "hohes
Lied der Demokratie" wirken sollte.
Ein anderer Roman, dessen
Titel heute keinesfalls mehr so gewählt würde ("Zwischen den
Rassen" (1907)), verdeutlicht Heinrich Manns Übergang vom
Konservatismus zum Liberalismus, denn die Liebesgeschichte zwischen
einem "nordischen Träumer" und einer "Südländerin"
enthält mit Berufung auf den Naturrechtsphilosophen Rosseau eine
Erörterung revolutionär-demokratischer Gedanken. Sein Aufenthalt in
Italien hatte Heinrich Mann auch vor Augen geführt, dass er selbst
das Ergebnis einer "Rassenmischung" und damit im Sinne des
biologistisch-rassistischen Denkens ein "Verfallsprodukt"
war.
Als Manns ausgereiftes
und wohl bekanntes Werk, das seine politische und schriftstellerische
Entwicklung am kann schließlich der am Vorabend des 1. Weltkriegs
erschienene Roman "Der Untertan" gelten (erste Notizen
1906/07, Abgebrochener Vorabdruck im Juli 1914, Erstveröffentlichung
Dezember 1918). Die Aufstiegsgeschichte des deutschnationalen
Fabrikbesitzers Diederich Heßling nimmt als so gekonnt geschriebene
Satire die wilhelminische Gesellschaft aufs Korn, wie - so der
Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler - schreibt: "kein Historiker
das je so eindringlich beschreiben könnte."
Den Antisemitismus im
Deutschen Kaiserreich, das die Juden mit seiner Gründung 1871 zu
gleichberechtigten Staatsbürgern gemacht hatte, bekämpft Heinrich
Mann zur selben Zeit so vehement in anderer literarischer Form, wie
er ihn einige Jahre zuvor bedient hatte. (s. o.: Werner Sombart:
"Judentaufen" (1912)). Auch beginnt bald ein intensiver
Gedankenaustausch mit deutsch-jüdischen Intellektuellen darunter:
Max Brod, Lion Feuchtwanger, Erich Mühsam, Kurt Tucholsky, Joseph
Roth und Stefan Zweig.
1914 heiratet Heinrich
Mann die jüdische Schauspielerin Maria (Mimi) Kanova aus Prag
(1886-1947 (gestorben an den Folgen der Haft im KZ Theresienstadt
(1940-1945)). Aus der 1930 geschiedenen Ehe geht seine einzige
Tochter Leonie Mann (verh. Askenazy, (1916-1986)) hervor.
Während des 1.
Weltkrieges erscheint 1915 in Zürich, in der pazifistischen
Zeitschrift "Die Weißen Blättern" sein Schlüsselessay
"Zola". Auf 60 Seiten beklagt er, den Vergleich mit dem
französischen Schriftsteller Emile Zola, der seit seiner Parteinahme
in der antisemitischen Dreyfuss-Affäre ("J'accuse" (1898))
als Maßstab für intellektuelles Handeln galt, die allgemeine
Kriegsbegeisterung, zu der sich auch Gerhart Hauptmann und sein
Bruder Thomas ("Gedanken im Kriege" (1914)) hatten
hinreißen lassen. Als einer der wenigen nimmt er Partei für eine
demokratisch verfasste Gesellschaft und avanciert damit endgültig zu
einem Vorbild für die linken Intellektuellen in Deutschland.
Weimarer Jahre
(1918-1933)
Unmittelbar nach dem
Krieg 1918 stellte sich Heinrich Mann sogleich dem demokratische
Aufbau zur Verfügung und zwar weit links: Unter dem Bayrischen
Ministerpräsidenten Kurt Eisner (USPD) wird er Vorsitzender des
"Politischen Rats geistiger Arbeiter" in München. Im
Dezember 1918 erscheint "Der Untertan", dessen
Veröffentlichung im Sommer 1914 durch den Ausbruch des Weltkrieges
verhindert worden war. 1919 folgt auch der Essayband "Macht und
Mensch" mit dem Reklamestreifband versehen: "Heinrich Mann
für die deutsche Republik!". Er enthält u.a. den "Zola"
und die abschließende Kritik am Kaiserreich ("Kaiserreich und
Republik").
Während seinem
romanistischen Werk ("Eugenie oder die Bürgerzeit" (ersch.
1928) - eine Art Gegenstück zu Thomas' "Buddenbrooks") der
Erfolg in diesen Jahren versagt blieb, hat Heinrich Mann in der Zeit
der Republik über 300 Essay veröffentlicht, die in Tageszeitungen
("Berliner Tageblatt", "Frankfurter Zeitung") und
literarischen Zeitschriften erscheinen und ihm eine hohe Reputation
verschafften. Wohlwollend (Wahlaufrufe für demokratische Parteien),
aber mit kritischer Sicht ("Gegen Zensur, für Sittlichkeit"
(1926)) wird Heinrich Mann zu einem Kämpfer für die Republik, vor
deren Scheitern er bald warnen muss ("Bekenntnis zum
Übernationalen" (1932)).
Auch setzt er sich für
eine Verständigung und Versöhnung mit Frankreich ein ("Deutschland
und Frankreich" (1923)) und tritt noch stärker gegen den
Antisemitismus ein ("Das auferstandene Land", in: "Der
Jude", Sonderheft Nr. 1 (1925); "Der Antisemitismus und
seine Heilung", in: "Die Wahrheit" (Prag, 1928)).
1931 wird er Präsident
der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste.
Sein Ruf unter linken Intellektuellen ist so hervorragend, dass ihn
Kurt Hiller in "Die Weltbühne" (Februar 1932) sogar für
das Amt des Reichspräsidenten vorschlägt.
1932 unterzeichnet er
u.a. einen Appell des Sozialistischen Kampfbundes gegen Hitler, ruft
zur Wahlbeteiligung und - mit Albert Einstein und Käthe Kollwitz zur
Opposition gegen die NSDAP und zum Zusammengehen von SPD und KPD
auf. Am 15. Februar 1933 muss er von diesem Amt zurücktreten und
wird mit anderen - u.a. Käthe Kollwitz - aus der Akademie
ausgeschlossen. Am 21. Februar 1933 geht er ins französische Exil
(Nizza (bis 1940)), im August wird er von Nazi-Deutschland
ausgebürgert.
Exil und Kampf gegen
Nationalsozialismus und Judenverfolgung, Tod (1933-1950)
Nach
1933 setzte er seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus in
Frankreich fort: In der Zeitung "La Dépêche" kommentierte
er für die französischen Leser monatlich die Vorgänge in
Deutschland und versuchte die französisch-englische
Stillhaltepolitik (Appeasement) gegenüber Hitler zu beenden. Über
den intellektuellen Widerstand hinaus versuchte er auch den
politischen zu fördern, was jedoch erfolglos blieb (ab 1935 von der
KPD in Deutschland illegal verbreitete Schriften). Er galt - auch
durch seine rege Beteiligung an deutschen Exilzeitungen ("Pariser
Tageblatt", "Die neue Weltbühne") als "Stimme
des anderen Deutschland".
1940
musste er über die Pyrenäen nach Spanien fliehen und gelangte am
13. Oktober 1940 nach New York, wo ihn sein Bruder Thomas begrüßte.
In Amerika, anders als in Frankreich, verfügte er kaum noch über
Publikationsmöglichkeiten, die ihn ökonomisch absichern konnten.
Politisch beteiligte er sich jedoch weiterhin an den
Veröffentlichungen der Bewegung "Freies Deutschland" in
Mexiko.
Im
amerikanischen Exil entsteht u.a. noch "Ein Zeitalter wird
besichtigt", Heinrich Manns eigene sarkastische und zum Teil
bittere Rückschau, historische Analyse der Zeitspanne, die er mit
der französischen Revolution beginnen und mit der Landung der
Amerikaner in der Normandie 1944 enden lässt.
Nach
dem Krieg erhielt Heinrich Mann die offizielle Einladung zur
Übersiedlung nach Ostberlin. 1949 folgte die Berufung zum
Präsidenten der neugegründeten Akademie der Künste in der DDR. Am
12. März 1950 starb Heinrich Mann kurz vor der geplanten Rückkehr
nach Deutschland in Santa Monica/Kalifornien.
Seine Tochter lässt seine Urne 1961 nach Ostberlin überführen, wo
sie auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt wird.
Literatur:
Carina
Baganz: "Heinrich Mann", in: Wolfgang Benz: "Handbuch
des Antisemitismus - Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart",
Bd. 2/1 ("Personen A-K"), Berlin 2009, S. 513-514.
Wilfried
F. Schoeller, Peter Klein (u.a.): "Heinrich Mann", in:
Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): "Kindlers Literaturlexikon",
Bd. 3 ("Leo-Mar"), 3. völlig neubearb. Auflage, Stuttgart
2009, S. 652-663.
Klaus
Schröter: "Heinrich und Thomas Mann", Hamburg 1993 (EVA
Duographien, Bd. 1).
Peter
Stein: "Heinrich Mann", Stuttgart 2002.
Rolf
Thiede: "Stereotypen vom Juden - Die frühen Schriften von
Heinrich und Thomas Mann", Berlin 1998.
Renate
Werner: "Heinrich Mann", in: Walther Killy, Wilhelm
Kühlmann (Hrsg.): "Killy-Literaturlexikon", Bd. 7
("Kräm-Marp"), 2. vollst. überarbeitete Auflage, Berlin
2010, S. 650-655.
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