BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Donnerstag, 11. April 2013

Schützenstraße? Tunnelstraße? - Nie gehört!

Straßenumbenennungen in Heide seit 1910 - über Sinn und Unsinn.

Der gedruckte Stadtplan mit seinen meist geraden Linien verbreitet eine Illusion von Kontinuität. Die meisten älteren Heider werden sich aber noch gut daran erinnern können, welche enormen baulichen Veränderungen durch die Straßendurchbrüche zum Markt und die veränderte Verkehrsführung über die neugeschaffen Verläufe der Marsch- und Bahnhofsstraße ab Ende der 1950 vorgenommen wurden.
Es blieb nicht beim Abriss zahlreicher historischer Gebäude (u.a. des alten Rathauses). Einige der wichtigsten und zudem längsten Straße bekamen in den Jahren 1955 bis 1957 neue Namen. Die heutige Husumer Straße hieß Schützenstraße, die Hamburger Straße war einst der Landweg und die heutige Büsumer Straße war bis 1956 die ursprüngliche Marschstraße, deren Name etwas weiter nördlich für städtische Fortsetzung der Bundesstraße 203 neu vergeben wurde. Im Osten der Stadt wurde zudem aus mehreren Straßen oder Straßenteilstücken die Berliner Straße neu geschaffen.
Das große verkehrsbauliche Modernisierungsprogramm ging also mit der Umbenennung zahlreicher Straßen einher, die Namen nach nah- und fern-gelegenen Städten in der jeweiligen Himmelsrichtung erhielten. Dass hunderte Haushalte sich mit der wohl größten einheitlich betriebenen Namensveränderung in Heides Geschichte an neue Namen gewöhnen mußten, lag die Idee zugrunde, daß die Hauptstraßen einer nach dem Krieg sich auf über 20.000 Einwohner verdoppelten Kreisstadt nicht "Landweg" oder "Schützenstraße" heißen könnten - es ging hier in besonderem Maße um Ästhetik und Übersichtlichkeit im Stadtbild.
Nur einige Jahre zuvor, im Mai 1945, ging es um etwas anderes: Die britische Besetzungbehörden beseitigten in Heide, wie in allen deutschen Städten, die offensichtlichsten Spuren der Nazi-Zeit: Die heutige Bürgermeister-Blaas-Straße etwa, benannt nach dem ersten Bürgermeister der Stadt Heide, August Blaas, war als neu-geschaffene Straße in den 1930er Jahren nach der NS-Ikone Horst Wessel benannt worden.
Auch später wurden immer wieder einzelne Veränderungen an bestehende Straßen vorgenommen: Entweder um Heider Persönlichkeiten zu Ehren (Gasstraße -> Hinrich-Schmidt-Straße (1960er Jahre)), sich den übriggebliebenen Irrtümern der Geschichte zu stellen (Adolf-Bartels-Straße -> Bürgermeister-Vehrs-Straße (1965)), oder um wiederum veränderte städtebauliche Verhältnissen abzubilden (Ibsen-Peters-Straße -> Poststraße (ca. 1973)).

Fazit:
Was rechtfertigt eine Umbenennung bestehender Straßen? Im Mai 1945 war es die "politische Notlage", 1955 bis 1957 waren es ästhetisch-stadtplanerische Aspekte. Würde man beides miteinander vergleichen, würde man wohl zu dem Schluss kommen, dass bei der Umbenennung der Horst-Wessel-Straße (1945) oder der Adolf-Bartels-Straße (1965) gewichtigere Gründe vorlagen, als bei der Umbenennung der Schützenstraße oder des Freudenthal (1952, heute Teil der Norderstraße). Das sollte man auch bei Gustav Frenssen bedenken.

Übersichtskarte 
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