Die
„Dithmarscher Landeszeitung“ veröffentlichte gestern
(18.01.2014) eine erste Zusammenstellung von Vorschlägen, die von
Lesern als Namensalternative im Falle einer Umbenennung der
Gustav-Frenssen-Straße gemacht wurden. Wie immer in solch einem
Fall, ist es eine Mischung aus absurden, aber auch ernsthaften und
überlegenswerten Namen.
Zu den
absurden gehört, wie man auch im
Internet-Forum der DLZ nachlesen
kann, die Benennung nach dem ehem. VW-Funktionär und Namensgeber der
Schröderschen Sozialreformen (
Peter-Hartz-Straße)
oder auch nach dem derzeitigen Heider Bürgermeister (Ulf-Stecher-Allee, "Grinsebacke-Weg"). Hier hat wohl der ein
oder andere die Gelegenheit genutzt um Frust loszuwerden.
Andere
Vorschläge sind dagegen rührig: So schlug ein Leser die Benennung
nach dem bekanntesten Pferd des Olympia-Goldmedaillengewinners im
Mannschaftsspringreiten,
Fritz Thiedemann, vor (
Meteor-Straße), nach dem in Heide auch schon eine
Umgehungsstraße benannt ist (Fritz-Thiedemann-Ring). Dabei ist es ja nicht
so, dass diesem Pferd bisher nicht genug Würdigung widerfahren wäre:
In Kiel steht vor der Staatskanzlei am Förde-Ufer eine lebensgroße
Statue. Im unwahrscheinlichen Falle einer entsprechenden Umbenennung,
würde sich das Tier in der Nachbarschaft zur
Theodor-Storm-Straße,
dem Verfasser des „
Schimmelreiters“, vielleicht zwar wohlfühlen.
Man würde sich aber doch zu sehr an die Geschichte des römischen
Kaisers
Caligula erinnert fühlen, der sein Lieblingspferd
Incitatus zum Konsul
ernennen wollte.
Auch der
Heider Fußballer und einmalige Nationalmannschaftspieler
Willi Gerdau hätte
seinen Namen sicher lieber mehr in sportlichen Zusammenhang gesehen
(Stadion des Heider SV o.ä.) als in der Nachspielzeit für Gustav Frenssen in eine Mannschaft von Literaten eingewechselt zu werden.
Ernsthafter
sind dagegen die Vorschläge, die zeitgenössische Literaten nennen:
Sarah Kirsch, die 1935 in Thüringen geborene und 2013 verstorbene
Lyrikerin lebte nach ihrer Übersiedlung aus der DDR im Jahre 1977, von 1983 bis zu
ihrem Tod zurückgezogen in Dithmarschen (
Tielenhemme), und war streitbar was politische Unterdrückung oder Verfolgung anging.
Andere fänden dagegen
Elsa Peters (1906-1998) schön. Die Verfasserin
plattdeutscher Geschichten wurde – noch ihren zu Lebzeiten – 1983
in einem Leserbrief bereits einmal als Ersatz für die Gustav-Frenssen-Straße vorgeschlagen („
Warum eigentlich
immer nur posthume Ehrungen? Wie wär's denn mit
„Elsa-Peters-Straße“?“; Leserbrief von Sieglinde Zimmermann,
Heide; DLZ vom 20. Sept. 1983).
Es zeigt sich das Dilemma: Wen oder was soll man ehren? Politiker,
Pferd oder Sportler? Entweder die plattdeutsche
Heimatdichterin oder doch die zugezogene
kosmopolitische Lyrikerin? Möglich ist bei Straßen
prinzipiell alles, was gesellschaftlich und kommunalpolitisch
erwünscht ist, wenn es nun um die Planung neuer Wohn- und
Gewerbegebiete geht. Hier geht es aber um die Umbenennung einer
bereits bestehenden Straße eines Wohngebietes, das als
„Dichter-Viertel“ bekannt ist, und mit "Theodor Storm" oder "
Gorch Fock" aufwartet.
Als in Kiel
eine Gustav-Frenssen-Straße
im Jahr 2011 nach Joachim Ringelnatz umbenannt wurde bestimmten die Kommunalpolitiker damals, dass unter
dem Straßenschild noch ein Erklärungsschild angebracht wird, das
mehr über Gustav Frenssen und weshalb die Straße nicht mehr nach im
benannt sein darf aussagt, als dass es über den neuen Namensgeber, der
den Nazis als unkonventioneller Kabarettist ein Dorn im Auge war
informiert. Man wollte zeigen, dass man sich
über Frenssen seine kritischen Gedanken gemacht hatte. Dass Ringelnatz
nun aber wie ein „Lückenbüßer“ erscheint, hat man dabei nicht
bedacht.
Es ist nicht
falsch den jüngeren Frenssen einmal zu lesen, der vom alten Frenssen
noch (fast) nichts wusste. In Barlt steht noch sein Haus, in dem die verhängnisvolle Karriere des ehem. Pastors und Erfolgschriftstellers zum Nazi-Propagandisten vermittelt wird und
zur Mahnung dienen sollte. Diese Mahnung an einem neuen Straßenschild für jemand anderen ist aber unangebracht.
Gustav
Frenssen, für dessen
Roman „Otto Babendiek“, den Arno
Schmidt für ein „Meisterwerk zweiten Ranges“ hielt, sich
einzelne vielleicht zurecht einsetzen, wobei andere sich eine
"Jörn-Uhl-Straße" (nach einem anderen Frenssen-Roman) vorstellen
können, hat sein Werk zuletzt als „germanisches Schrifttum“
verstehen wollen und viele von den Nazis verfolgte Autoren, die Manns, Stefan Zweig, Lion Feuchtwanger etc. aus der
deutschen Kultur ausrotten wollen. Bei der
Suche nach einem neuen Straßennamen, die wohl selten von so viel
öffentlicher Anteilnahme begleitet worden ist, geht es jedenfalls um viel: Wofür soll die „Heimat“ heute stehen:
Pferd oder Fußball? Kulturelle europäische Integration oder provinzielle Erdverbundenheit? Es scheint jedenfalls, dass es hierbei auch um das Selbstverständnis unserer Region gilt: "So weit weg von Hamburg und doch so nah dran an Nordfriesland."
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