BerthavonSuttner

Der Dithmarscher Pastor und Schriftsteller Gustav Frenssen (1863-1945), feierte im Kaiserreich als Vertreter der „Heimatkunst“ literarische Erfolge („Jörn Uhl“ (1901)) und zählte 1912 zu den aussichtsreichsten Kandidaten für den Literaturnobelpreis. Schon früh sind in seinen Aufzeichnungen jedoch radikale Ideen der Eugenik und Euthanasie festzustellen, die er ab Mitte der 1920er Jahre öffentlich kundtat („Möwen und Mäuse“ (1927)). Im Nationalsozialismus als „Vorkämpfer“ gefeiert biederte sich Frenssen den Machthabern an, vergötterte Adolf Hitler und rechtfertigte Krieg und Massenmorde. Im März und April 2014 beschlossen die Städte Heide und Brunsbüttel die Umbenennung der nach Gustav Frenssen benannten Straßen. Dieser Blog dokumentiert und kommentiert Frenssens menschenverachtendes Gedankengut und die öffentliche Diskussion über seine Person.

(Bild rechts: Gustav Frenssen - Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S42619 über wikipedia.de)

Mittwoch, 15. Januar 2014

Thomas Mann - "Deutsche Hörer!" vom November 1941

Thomas Manns eindringliche Ausführungen in der BBC aus dem amerikanischen Exil im November 1941, in denen er die Kranken- und Behinderteneuthanasie, Eugenik und die Massen- und Völkermorde in Osteuropa aufzählt und verurteilt. Diesen Appell richtete er an „Deutsche Hörer!“, zu einem Zeitpunkt als Gustav Frenssen, daheim im dithmarscher Dorf Barlt, gerade in seiner „Lebenskunde“ (erschienen 1942) das Gegenteil niederschrieb (Siehe dazu auch: "Amtmannschaft Wittschild" (1923/1937)). Ein aufrüttelndes Dokument, das man, neben vier weiteren Reden auf, youtube.com nachhören kann.

 

Aus dem obigen Video (Anmerkungen unten beachten):
In deutschen Lazaretten und Krankenhäusern werden die Schwerverwundeten*1, zusammen mit Alten, Gebrechlichen, Geisteskranken durch Giftgas zu Tode gebracht. 2000 von 3000 so erzählte ein deutscher Arzt, in einer einzigen Anstalt. Das tut dasselbe Regime, das auch grölt, wenn Roosevelt es beschuldigt, es wolle Christentum und alle Religion vernichten.
[...]
Das „christliche“ Gegenstück zu den Massenvergasungen sind die „Begattungstage“, wo beurlaubte Soldaten mit BDM-Mädchen zutierischer Stundenehe zusammen kommandiert werden, um „Staatsbastarde“ für den nächsten zu Krieg zu zeugen.*2 Kann ein Volk, eine Jugend, tiefer sinken? Gräuel und Lästerung der Menschlichkeit wohin ihr seht.
[…]
Heute weiß es [= das deutsche Volk] nichts, als Völker- und Massenmord, blödsinnige Vernichtung. 300.000 Serben sind nicht etwa im Kriege, sondern NACH dem Kriege mit diesem Land, von euch Deutschen auf Befehl der verruchten Lumpen, die euch regieren, umgebracht worden.*3 Das Unaussprechliche, das in Russland, das mit den Polen und Juden geschehen ist*4 und geschieht, wisst ihr, wollt es aber lieber nicht wissen, aus berechtigtem Grauen vor dem ebenfalls Unaussprechlichen, dem ins riesenhafte heranwachsendem Hass, der eines Tages, wenn eure Volks- und Maschinenkraft erlahmt, über euren Köpfen zusammenschlagen muss.
[*1 In diesem Punkt saß Mann einer Fehlinformation auf, bzw. interpretierte seine Quellen falsch. Keinesfalls weniger schlimm wurden allerdings durch psychische Erkrankungen dienstunfähig gewordene Soldaten durch Euthanasie getötet. Über eine Euthanasie versehrter Wehrmachtsangehöriger ist in der Forschung nichts bekannt. Bekannt waren dagegen die Vergasungsaktion an Behinderten und Kranken in der sog. T4-Aktion, und an KZ-Insassen in der Aktion 14f13.]
[*2 Diese Vorstellung vom Geschehen in den weitgehend abgeschotteten Lebensbornheimen beruht v.a. auf Spekulationen, die zur damaligen Zeit in der Deutschen Öffentlichkeit darüber kursierten (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Lebensborn#Wahrnehmung_in_der_.C3.96ffentlichkeit). Zu den verwerflichsten Taten im Rahmen des Lebensborn gehört der Raub "arischer" Kinder aus besetzten Gebieten und deren Zuteilung an nazi-treue, deutsche Familien.]
[*3 Nach der in einem 12-tägigem Krieg erfolgten Besetzung Yugoslawiens im April 1941 wurde das Land aufgeteilt und verschiedenen Regimen zur Verwaltung unterstellt. Den größten Teil machte das Gebiet des Marionettenstaates Kroatien aus. Die faschistische Regierung unter Ante Pavelić (Ustascha) führte ein rigoroses Programm ethnischer Säuberungen durch, das Kroatien durch Konversion (zum röm.-katholischen Glauben), Vertreibung und Ermordung je eines Dittels der serbischen Bevölkerung "serbenrein" machen sollte (Dies bezog sich aber auch auf Juden, Sinti und Roma; Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Ustascha#V.C3.B6lkermord). Neben zahlreichen einzelnen Massakern wurden allein im KZ Jadovno in der Zeit von Mai 1941 bis August 1941 nach mittleren Angaben ca. 40.000 Menschen getötet (95% davon Serben (Siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Jadovno_concentration_camp#Death_toll).]
[*4 Bis zum Jahresende 1941 waren nur in den besetzten Gebieten der Sowjetunion zumeist durch Massererschießungen bereits ca. 500.000 Juden ermordet worden. Himmler meldete Hitler am 31.12.1941 eine Zahl von 363.000 als "Partisanen" erschossenen Juden für die Monate August bis November (Siehe dazu auch die folgende Liste von Massakern: http://de.wikipedia.org/wiki/Holocaust#Systematische_Massenerschie.C3.9Fungen)]

In mehrere Dutzend Reden wandte sich Thomas Mann zwischen Oktober 1940 bis Mai 1945 monatlich über das deutsche Programm der BBC an seine Landsleute. Nur wenige der Reden, in denen Mann versucht den "" ins Gewissen zu reden, sie über nationalsozialistische Verbrechen und Propagandalügen zu informieren, sind als Ton-Dokumente erhalten. Obwohl das Hören des "Feindfunks" unter hohen Strafen stand, haben nicht wenige eingeschaltet (Mein Urgroßvater hat - als überzeugter Anhänger der Sozialdemokratie - regelmäßig gehört).
Auch in seiner Rede vom 27. September 1942 macht Thomas Mann darin die ersten Ergebnisse der auf der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 beschlossenen "Endlösung" öffentlich:
"Nach den Informationen der polnischen Exil-Regierung sind alles in allem bereits 700.000 Juden von der Gestapo ermordet oder zu Tode gequält worden [...] Wisst Ihr Deutschen das? Und wie findet ihr es?"
"Was sind das für Menschen, für Ungeheuer, die des Mordens nie satt werden, denen jedes Elend, das sie den Juden zufügten, immer nur ein Anreiz war, sie in noch ... erbarmungsloseres Elend zu stürzen?"

Keine Kommentare: